Tragödie von William Shakespeare
Theater für Niedersachsen Premiere 16.01.2016
Inszenierung Gero Vierhuff
Bühne und Kostüme Hannes Neumaier
Dramaturgie Cornelia Pook
Musikalische Mitarbeit Sebastian Kunas
Capulet André Vetters
Lady Capulet Michaela Allendorf
Julia, Tochter der Capulets Julia Gebhardt
Romeo, Sohn der Montagues Marek Egert
Tybalt, Julias Vetter Thomas Strecker
Mercutio, Romeos Freund Moritz Nikolaus Koch
Benvolio, Romeos Freund und Vetter Dennis Habermehl
Amme Julias Simone Mende
Lorenzo, ein Franziskanermönch Dieter Wahlbuhl
Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 18.1.2016
„Das mutig und engagiert aufspielende Ensemble beweist zweieinhalb Stunden lang ein hohes Maß an Flexibilität. Vierhuff bietet keine Balkonszene, keine Tränen, kein Mitleiden, kein Kotau vor der ‚heiligen’ Shakespeare-Vorlage. Das ist gut so. Der Fokus soll auf den Schauspielern und dem Text liegen: klar und minimalistisch will er laut Programmheft ein Stück Literaturgeschichte umsetzen. […] Der weder historisch noch regional verankerte leere Bühnenraum von Hannes Neumaier betört dagegen durch seinen Purismus und bietet mannigfaltige Spielmöglichkeiten. Drei fahrbare schwarze, hohe Podeste mit wehenden weißen Gardinchen lassen sich zu immer neuen Räumen zusammenschieben. Zudem setzen Neumaier und Vierhuff 36 Scheinwerfer ein, um mit großartigen Lichtstimmungen und wunderbaren Bildern die Seele zu erhellen. […] Vierhuff hat die moderne, ebenso deutliche wie poetische Übersetzung Steckels stark gekürzt und durch moderne – oft deftige, auch alberne – Sprachwendungen und Gesten untermalt. […] Der Regisseur erprobt die Liebe in modernen Zeiten. Das gefällt vor allem jungen Menschen, wie bei der Premiere die Lacher aus einer dementsprechend besetzten Ecke im Zuschauerraum beweisen. Sehr lebendig beschreibt Vierhuff die Gang um Romeo, die viel Raum einnimmt. Diese Jungenfreundschaft zwischen Mercutio, Benvolio und Romeo ist geprägt von Vertrauen und spielerischem Kampfgeist, in dem homoerotische Avancen kein Tabu mehr sind. Ansonsten irren die Figuren auf der Bühne umher oder stehen am Rand. Ein gelungenes Bild für die Lieb- und Beziehungslosigkeit unserer Gesellschaft. […] Die Schauspieler kommentieren oder ergänzen ihre Texte, dann verharren sie im Original. Manchmal wechselt das mit jeder Kopfbewegung. […] Simone Mende als redselige, blödelnde und dem Alkohol nicht abgeneigte Amme Julias agiert ganz im Geiste Shakespeares. Wobei ihr die Wechsel zwischen ernst und boulevardesk gut gelingen. Genau wie Julia Gebhardt als Julia: eben noch liebreizend naiv, dann wieder nüchtern, abschätzend, plötzlich schreiend. Das gelingt dieser Julia perfekt.”
CityToday vom 18.1.2016
„Regisseur Gero Vierhuff und TfN-Ausstattungsleiter Hannes Neumeier haben es geschafft, dem jahrhundertalten Stück neues Leben einzuhauchen. Die moderne Übersetzung von Frank Steckel gibt dem Ensemble viel Freiraum, sich nicht starr am Text zu halten, sondern ausprobieren zu dürfen. Das tut es und überzeugt damit auf ganzer Linie. […] Mit viel Pathos und Leidenschaft in einer kraftvollen Inszenierung, spielen die Schauspieler ihre Rollen, glänzend sowohl die beiden Hauptdarsteller, als auch im Besonderen Simone Mende als Amme Julias. […] Gebhardt und Egert gehen in ihren Hauptrollen bis an die Grenzen und zeigen, welch großartiges Talent in den beiden jungen Protagonisten schlummert. […] Kein opulentes Bühnenbild lenkt ab. Neumaier nennt das sehr direktes Theater. An diesem Abend kommt das bei den Zuschauern richtig gut und sehr direkt an. Stets wird mit den Gegensätzen gespielt: laut und leise, hell und dunkel, klassisch und modern. […] Dramaturgin Cornelia Pook und Regisseur Gero Vierhuff gelingt es, dem größten aller menschlichen Gefühle, der Liebe zwischen ‚Romeo und Julia’, ein modernes Antlitz zu verpassen. […] Die Inszenierung Vierhuffs ist aber mehr als nur eine pure Liebesgeschichte. Es ist ein Stück über Sehnsucht, über Freundschaft und einen Weg heraus aus der Depression um sie herum, die ihre Familien durch die Fehde umgibt. […] Einen besonders starken Moment hat Marek Egert, als er aus der Rolle des ‚Romeos’ heraustritt. Es ist kurz vor der Schlussszene, ihn erreicht die Nachricht des vermeintlichen Todes Julias. ‚Ich steige aus’, sagt Egert und spricht sein Gegenüber Dennis Habermehl, der Romeos Vetter Benvolio spielt, auf einmal mit dessen richtigem Namen an. Zurück auf Anfang, springt Egert auf die Szene kurz nachdem er Julia zum ersten Mal küsste, er spricht ins Auditorium und will den Tod der Geliebten nicht wahrhaben. Es ist ein Moment, der Gänsehaut macht. […] Es ist ein gutes Zeichen, dass Vierhuffs mutige aber überzeugende Inszenierung beim Hildesheimer Publikum angekommen ist. Wirft man dem Theater für Niedersachsen oftmals vor, vermeintlich verstaubt zu sein, beweist Vierhuff mit ‚Romeo und Julia’ zum zweiten Mal nach ‚Macbeth’, dass es am TfN auch genug Platz und kreative Energie gibt, um auch junges oder weniger theateraffines Publikum begeistern zu können.”
Harz Kurier vom 18.1.2016
„Zu Shakespeares ‚Romeo und Julia’ ist schon fast alles gesagt und geschrieben worden. Dennoch blättert Gero Vierhuff mit seiner Inszenierung am Theater für Niedersachsen neue Aspekte in der berühmtesten Liebesgeschichte der Welt. […] Aber statt einer gewaltsamen Versetzung in die Gegenwart wagen Regisseur Gero Vierhuff und Dramaturgin Cornelia Pook einen Spagat aus Originaltext und Jetzt-Zeit. Ihre Inszenierung ist ein Wagnis, auf das einzulassen sich lohnt. Denn neben der Liebesgeschichte stehen Fragen nach Identität, Verhältnis zwischen Einzelnen und Gruppe und nach Schuld und Sühne. […] Es geht hier um grundlegende, um zeitlose Themen wie Liebe und Hass, Schuld und Tod. […] Sprachlich ist die Inszenierung zweigeteilt. Treffen Romeo und Julia zusammen, dann verbleiben sie im Shakespeare’schen Original. Ihre Liebe scheint so rein, dass sie von keinem Gegenwartstrend getrübt werden darf. Überhaupt sind die Duette von Marek Egert und Julia Gebhardt in den Titelrollen die Höhepunkte. Aufkeimendes Liebesglück und endgültige Verzweiflung wirken so echt, dass man mitheulen möchte. Die sprachliche Gegenwart erreicht die Inszenierung immer dann, wenn Romeo sich mit Mercutio oder mit Benvolio im Modus der dauerpubertierenden Jungadligen treffen. […] Überhaupt ist der zweite Teil der Aufführung reich an starken Momenten. Dazu gehört eindeutig die Fassungslosigkeit des Romeos angesichts des vermeintlichen Tods seiner Geliebten. […] Das tragische Ende ist unabwendbar und selten wurde beim TfN so eindringlich gestorben. […] Mit der Mischung aus Shakespeares Original und den Versatzstücken der Pop-Kultur ist Gero Vierhuff eine Glanzleistung gelungen, die den Ruf des TfN als experimentierfreudig und experimentierfähig bestätigt. Die Tragödie vereint sowohl die Generation der Youtuber als auch die der Rollkragenpullover-Träger.”
Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 19.1.2016
„Gero Vierhuffs Inszenierung von ‚Romeo und Julia’ im Theater für Niedersachsen ist aufgedreht, schrill und ungewöhnlich. Durch die vielen (teilweise blöden) Gags erinnert Shakespeares Tragödie zeitweise an eine Komödie. Alles wirkt übertrieben und überdreht: […] Immer wieder versuchen die Schauspieler zu provozieren – sei es mit obszöner Sprache, sei es mit deftigen Szenen. […] Das Publikum im Stadttheater Hildesheim ist gespalten: Während die einen die Inszenierung loben und als innovativ bezeichnen, sind andere irritiert.“
Goslarsche Zeitung vom 26.1.2016
„Das Bewusstsein wird auf das Wesentlich konzentriert. ‚Wer Romeo und Julia nicht kennt, hat die Welt verpennt.’ […] Über lange Strecken herrschen Neugierde und Zweifel. Am Ende entlädt sich die Begeisterung über eine anstrengend-fordernde Bühnenpräsentation in heftigem Trampelbeifall. Das TfN hat offenbar alles richtig gemacht. […] Julia Gebhardt (Julia) und Marek Egert (Romeo) hauchen ihren Rollen zugleich Leichtigkeit und Kraft ein. […] Romeo und seine adligen Kumpels Mercutio und Benvolio symbolisieren jugendlichen Leichtsinn, Vertrautheit und unkomplizierten Umgang mit dem Leben. […] Gero Vierhuff balanciert zielsicher auf des Messers Schneide zwischen Historie und Gegenwart.“
Die Harke vom 4.3.2016
„Horrorszenario und Liebesahnung. Ein außergewöhnliches Theatererlebnis gab es am Dienstagabend auf dem Hornwerk. […] Die Inszenierung lebte von der Idee, ein unerträgliches Szenario vorzuführen, dem gegenüber die beiden jungen Liebenden hoffnungslos preisgegeben sind. In der Pause fragte eine Zuschauerin, was Shakespeare dazu gesagt hätte. Wohl: ‚Das kann man so spielen, aber man muss es nicht so spielen. Wusste nicht, dass ich so Schreckliches geschrieben habe.’ Das Ensemble brachte das Kräfte zehrende Spiel mit schauspielerischer Verve. Es wusste wohl, dass es diametral gegen die Erwartungen des Publikums auf eine romantisch-verklärte Liebesgeschichte agieren musste. […] Gegenüber den ratlosen und zum Teil angeekelten Reaktionen mancher Zuschauer – um die 70 verließen die Vorstellung in der Pause – muss man festhalten: Es ist erlaubt, einen hergebrachten Stoff neu zu sehen und zu gestalten, solange der Spielvorlage keine Gewalt angetan wird. Die restlichen 200 Personen belohnten die schauspielerischen Leistungen mit langem, überaus herzlichem Beifall.“
Peiner Nachrichten vom 17.3.2016
„Die neun Schauspieler lieferten ein farbenfrohes Wechselbad der Gefühle, voller Leidenschaft und Liebe, voller Blut und Hass. […] Trotz aller Kritik an der modernen Inszenierung: Langweilig war sie jedenfalls nicht. […] Doch das Publikum ließ sich nicht – zu Pfiffen oder Buh-Rufen – aus der Reserve locken. Stattdessen gab es immer wieder Beifall für besonders gelungene Szenen und zum Abschluss dauerhaften Applaus für diesen ungewöhnlichen Theaterabend“
Alfelder Zeitung vom 19.3.2016
„Wechselbad der Gefühle. […] Vierhuff hat es geschafft, dem über 400 Jahre alten Stück neues Leben einzuhauchen, aber er fordert dem Publikum auch einiges ab. Seine Inszenierung ist aufgedreht, schrill, zeitweise anstrengend und fordernd, mutig und intensiv, interessant und sehenswert. […] Nach Party, Punk und ‚P-Alarm‘ im ersten Teil ist der zweite Teil reich an starken Momenten und geht unter die Haut. Die Monologe und Dialoge von Romeo und Julia sind großartig, zutiefst melancholisch und gehören zu den Höhepunkten des Abends. Als Romeo angesichts des vermeintlichen Tods seiner Geliebten leidet und verzweifelt aus seiner Rolle zu schlüpfen versucht, hätte man im Theatersaal eine Stecknadel fallen hören können, so gebannt waren die Zuhörer, darunter auch viele Schüler. Die Schauspieler füllen ihre Rollen mit Leidenschaft, gehen teilweise an ihre Grenzen. […] Gero Vierhuff hat mit seiner kraftvollen Inszenierung einiges gewagt. Und es ist ziemlich gut aufgegangen.“